Dr. Albert Lewy hatte 1904 nicht nur die Lützow-Apotheke und die dazugehörige Apothekenlizenz vom Vorbesitzer erworben (mittendran vom 5. April 2025), sondern das ganze Wohnhaus an der süd-westlichen Ecke Schillstraße/Wichmannstraße (Bild 1).

Bild 1: Blick vom Lützowplatz nach Westen in die Wichmannstraße, die sich mit der Schillstraße kreuzt. Links an der Ecke die Lützow-Apotheke (Bildpostkarte von etwa 1900, aus der Sammlung Schmidecke)
Wir können nur vermuten, dass das Kapital für diesen Kauf zum Teil zumindest aus seinem Anteil am Erbe seiner Eltern kam, insbesondere aus der Versteigerung des Kunst- und Antiquitätennachlasses seines Vaters bzw. seines Halbbruders Gustav Lewy, der das Antiquitätengeschäft seines Vaters übernommen hatte und der kurz nach dessen Tod (1894) selbst 1900 verstarb (Bild 2).

Bild 2: Ankündigung der Versteigerung des Kunstnachlasses des Antiquars Gustav Lewy im Auktionshaus Rudolph Repke vom 13. – 15. November 1900 (Quelle: Katalog Nr. 1242 in der Heidelberger Univerrsitätsbibliothek, https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/lepke1900_11_13).
Dr. Albert Lewy wohnte aber nur im ersten Jahr in diesem Haus, auch wenn gemäß einer gesetzlichen Vorschrift vom 18. Februar 1902 der Apothekenvorstand die Pflicht hatte, im Haus der Apotheke zu wohnen. Aufgrund einer amtlichen Ausnahmegenehmigung wohnte er ab 1906 nicht weit entfernt in der Keithstraße 18, wo er telefonisch erreichbar war. Er wohnte dort zur Miete. Die Keithstraße war, soweit man den Fotos glauben kann, die ruhigere und elegantere Straße im Vergleich zur schon damals verkehrsmäßig weit belebteren Schillstraße. Die Mieteinahmen der 6 bis 10 Wohneinheiten (zwischen 1904 und 1932) im Apotheken-Haus Schillstraße 28 dürften die Miete in der Keithstraße getragen haben.
Inspektion durch das Gesundheitsamt
Neun Jahre nach der Apotheken-Übernahme durch Albert Lewy fand eine Inspektion der Apotheke statt (1). Ob es sich dabei um eine Routine-Inspektion gehandelt hat oder ob dem eine – anonyme – Anzeige zugrunde lag, ließ sich aus der Akte der Aufsichtsbehörde nicht ermitteln; es gab in der Akte allerdings keine vorherrige Inspektion, und die nächste erst wieder im Jahr 1939, nach der Übernahme der Apotheke durch den Apotheker Blew (s. unten).
Bei dieser Inspektion am 24. Juli 1913 erstellte die Aufsichtsbehörde, das Polizeipräsidium, Abteilung I, eine sechsseitige Liste mit Mängeln im Hinblick auf allgemeine Mängel der Apothekenführung, der Auszeichnung von Medikamenten und Homöopathie, der Führung des Giftschrankes, der Sauberkeit im Lager, in der Offizin und den Laborräumen, der Hygiene und Ordnung in allen Räumen und Schränken. Die Mängel waren offenbar so gravierend, dass das Polizeipräsidium eine Nachprüfung in wenigen Tagen ankündigte, deren Kosten der Apotheker tragen musste. Diese Nachprüfung fand am 5. November 1913 statt; sie ergab wiederum eine Mängelliste vorwiegend im Hinblick auf Bezeichnung und Etikettierung der Medikamente, während Ordnung und Sauberkeit als „nunmehr einwandfrei“ bezeichnet wurden. Apotheker Lewy wurde ersucht, „binnen drei Wochen durch Vermittlung des Herrn Kreisarztes über die Erledigung der einzelnen Beanstandungen zu berichten„.
Bau- und Eigentumsgeschichte des Hauses Wichmannstr. 21
Das Haus war im Jahr 1877 erbaut worden (2), Eigentümer zu diesem Zeitpunkt war, wie häufig, ein Handwerker, der Zimmermann- und Maurermeister Sobotta, aber der verkaufte nach Fertigstellung (1879) an den Hauptmann a.D. Dopatka. Der verkaufte 1884 an den Rentier von Moser, bevor das Haus im Juli 1887 an den Apotheker Steuer überschrieben wurde. Am 21. Februar 1898 kaufte der Apotheker Dr. Ernst Kuhlmann aus Geestemünde die Lützow-Apotheke von der Witwe Steuer. Sechs Jahre später, 1904, kaufte Dr. Albert Lewy die Apotheke und die Apotheken-Lizenz. 1935 übernahm dessen Sohn Curt Lewy Haus und Lizenz für 200.000 Mark, bevor dieser 1937 an den Apotheker Blew verkaufte, nun zu einem Nennwert von 237.000 Mark.
Nachdem Steuer nur geringfügige Änderungen an der Fassade initiiert hatte, plante der nächste Apotheken-Besitzer (Dr. Kuhlmann) einen größeren Umbau der Apothekenräume im Erdgeschoss und im Keller (Bild 3). Weitere Umbauten des Hauses fanden in späteren Jahren statt: 1923 wurde das Haus um ein Dachgeschoss erweitert, das der Architekt Moritz Ernst Lesser (1882-1958) plante, danach stieg die Zahl der Mietparteien.

Bild 3: Erdgeschoß des Apothekenhauses Schillstraße 8/Wichmannstraße 28. Rot markiert sind die vorgesehenen Änderungen (Quelle: (2)).
Apotheker Lewy zieht sich zurück, sein Sohn übernimmt
Zwei Reisen des Dr. Albert Lewy in den Jahren 1928 und 1930 haben wir eher zufällig gefunden, in beiden Fällen Reisen mit dem Schiff „Belle Isle“ der französischen Linie Chargeurs Réunis ab Hamburg; Diese Linie brachte vor allem Auswanderer nach Südamerika (Rio de Janeiro, Buenos Aires, Montevideo), nahm aber auch Touristen mit bis an die französische Küste (Le Havre, Bordeaux). Die Agentur für die Buchung war die niederländische Firma Hoyman & Schuurman (Bild 4). Die erste Reise fand im August 1928 statt, Dr. Lewy reiste allein und fuhr in der I. Klasse bis Bordeaux. Die zweite Reise folgte zwei Jahre später (1930), ebenfalls im August. Diesmal reiste er in Begleitung seiner Frau Margarethe in der I. Klasse und sie gingen in Le Havre von Bord, während die meisten Passagiere als Auswanderer in der III. Klasse weiter nach Montevideo reisten. Wir können mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass Dr. Lewy die zweite Reise nicht nur zur Erholung machte, hatte er doch, wie er in dem weiter unten genannten Schreiben vom September 1929 erwähnte, Ende April 1929 einen Schlaganfall erlitten und war möglicherweise auch im August des Folgejahres noch nicht vollständig wiederhergestellt.

Bild 4: Werbeplakat der französischen Schiffahrts-Linien nach Süd-Amerika, die auch Touristen an die französische Atlantikküste mitnahmen (Quelle: Internet, gemeinfrei)
Bis 1925 leitete Dr. Albert Lewy seine Apotheke, aber seit 1920 hatte er als seinen offiziellen Vertreter den approbierten Apotheker Karl Förder benannt, so dass es ihm gestattet war, der Apotheke zeitweilig fernzubleiben. Ausweislich der Akten der Gesundheitsbehörden übernahm er am 8. August 1827 wieder die Leitung. Im September 1929 teilte Albert Lewy den Medizinalbehörden mit, dass er aufgrund zunehmender Altersbeschwerden in absehbarer Zeit die Apothekenleitung aufgeben werde und man die Unterschrift seines Sohnes Curt, der am 1. April 1926 in die Apotheke eingetreten war, in allen notwendigen Fällen anerkennen möge. Es dauerte dann noch bis zum 15. August 1932, bis Dr. Curt Lewy die Apothekenleitung übernahm.
Ab 1930 ist neben Dr. Albert Lewy bis zu dessen Tod 1936 auch sein Sohn Curt (manchmal Kurt geschrieben) im Adressbuch unter der Adresse Keithstraße 18 gemeldet. Es ist zwar möglich, dass sie im gleichen Haushalt lebten, aber da beide verheiratet waren, schien uns dies eher unwahrscheinlich. Im Telefonbuch von 1932 sind beide, Dr. Albert Lewy, Apotheker und Dr. Curt Lewy, Apotheker, mit zwei unterschiedlichen Telefonnummern unter der gleichen Adresse gelistet, so dass wir annehmen müssen, dass sie im gleichen Haus verschiedene Wohnungen hatten (Bild 5).

Bild 5: Adressbuch-Einträge (oben) und Telefonbuch-Einträge von Dr. Albert Lewy und Dr. Curt Lewy in der Keithstraße 18 für das Jahr 1932.
Literatur
- Apotheken-Akte im Landesarchiv Berlin (LAB): A Pr. Br. Rep 030 Nr. 192 (Anlage neuer Apotheken) und A Rep. 32-08 Nr. 202 (Gesundheitsamt, Lützow-Apotheke).
- Bauakte im LAB: B Rep. 02 Nr. 4754 und 4755.