Urbane Mitte – Anmerkungen zum Prüfbericht

Anmerkungen zum Prüfbericht der Senatsverwaltung zum Projekt der Urbanen Mitte

Es wird geprüft, ob und inwieweit der städtebauliche Vertrag zur Urbanen Mitte den aktuellen klimapolitischen Aufgaben und den Bedarfen vor Ort noch gerecht wird und ob eine Anpassung von Art und Maß der Bebauung möglich ist.“

Das hatten SPD, Grüne und Linke vereinbart in der Koalitionsvereinbarung im November 2021.

Nun am 27.12.2022 wurde ein „Prüfbericht“ durch die Senatsverwaltung veröffentlicht. Das Datum erstaunt – zumal der Tagesspiegel schon im Oktober berichtet hatte, dass laut Senatsverwaltung die Prüfung schon im April letzten Jahres abgeschlossen worden sein soll. Ergebnis der Prüfung (das möglicherweise für die Senatsverwaltung schon im April 2022 feststand) lautet, dass im vollem Umfang am Projekt der sieben Hochhäusern im Gleisdreieck festgehalten werden soll.

Doch was wurde dabei konkret geprüft?

Klimapolitische Belange

In dem Prüfungsbericht werden zahlreiche Dokumente zum Thema Klima aufgezählt, doch vermutlich wurden diese gar nicht gelesen. Die aufgezählten Gutachten zum Klima, Verschattung, Windkomfort stammen aus der Bebauungsplanung. Bei einer tatsächlichen Prüfung hätte eigentlich auffallen müssen, dass diese Gutachten sehr fehlerhaft sind. Das Klima- sowie das Windgutachten modellieren die durch die Hochhäuser bewirkten Veränderungen in der Umgebung auf Basis falscher Grundlagen. Bei der Modellierung wurde als benachbarte Bebauung der Stand Ende der 1980er Jahre eingetragen. Es fehlen Potsdamer Platz und alle rund um das Gleisdreieck entstandenem Bebauungen vom Landwehrkanal bis zur Bautzener Straße! Das hätte doch auffallen müssen bei einer echten Prüfung!

Statt konkreter Auseinandersetzung mit den Folgen der Hochhausbebauung für den Park und das Stadtklima begnügt sich das Gutachten mit allgemeinen Hinweisen auf den Stadtentwicklungsplan Klima mit den Stichworten „Kompakte Stadt der kurzen Wege, eine leistungsfähige ÖV-Infrastruktur, Flächen-Recycling” u. a. Weil der Standort hoch erschlossen sei (zwei U-Bahnlinien, eine geplant S-Bahn) sei hier diese hohe bauliche Dichte angemessen. Senator Geisel ergänzt das in der Pressemitteilung mit dem Satz:

Unversiegelte Flächen sollten dafür nicht in Anspruch genommen werden.“

Sehr geehrter Herr Geisel, da wurden Sie falsch informiert. Eisenbahnschotter ist wasserdurchlässig. Der überwiegende Teil des Baufeldes war immer unversiegelt.

Am Anfang des Prüfberichts der Senatsverwaltung werden einige Angaben gemacht, um das Projekt historisch einzuordnen. Da wird behauptet, der Gleisdreieck-Park sei als Ausgleich für die Eingriffe der Baulogistik auf dem Anhalter Güterbahnhof (heute Ostpark) und auf dem Potsdamer Güterbahnhof (heute Westpark) entstanden. Es ist zwar richtig, dass damals ab 1992 eine Menge an wertvoller Vegetation und historischen Substanz auf dem Gleisdreieck verloren ging.

Doch diese Eingriffe durch die Baulogistik wurden nie ausgeglichen. Als die Baulogistik installiert wurde, wurde im Bebauungsplanverfahren Potsdamer/Leipziger Platz argumentiert, das würde dann später im Planfeststellungsverfahren „Verkehrsanlagen Zentraler Bereich“ berücksichtigt. Im Planfeststellungsverfahren wurde dann argumentiert, diese Eingriffe hätten schon vor Beginn des Verfahrens stattgefunden, müssten also nicht berücksichtigt werden.

Der Gleisdreieck-Park entstand, um den ökologischen Ausgleich für die Eingriffe am Potsdamer/Leipziger Platz selbst nachweisen zu können. Das ist eigentlich allgemein bekannt.

Man fragt sich, warum die Senatsverwaltung hier eine andere Version der Geschichte erzählt – aus Unkenntnis?

Die Bedeutung des Gleisdreieck-Parks als Teil der Frischluftschneise zwischen Tiergarten und südlichen Stadtrand, wurde in den Umweltgutachten zu den Bebauungsplänen Potsdamer und Leipziger Platz ausführlich beschrieben. Ein Park mit 60 ha und keine weiteren Hindernisse in die Belüftungsschneise stellen, das war die damalige Forderung der Umweltgutachter – ansonsten entstünde rund um den Tiergarten ein geschlossener Wärmering, durch den die Jahresmitteltemperaturen in der gesamten Innenstadt um 1,5 bis 2 Grad steigen würden.

Nun haben wir etwa 30 ha (nicht 60 ha) Park auf dem Gleisdreieck bekommen und mit den sieben Hochhäusern würde die Belüftungsschneise nochmal erheblich eingeschränkt.

Möglicherweise ist es dieser stadtklimatische Zusammenhang, den die Senatsverwaltung nicht wahrhaben möchte und der sie veranlasst hat, die Geschichte falsch darzustellen.

Die Flächenbilanzen

In der Flächenbilanzen des Prüfberichts wird dann versucht, die sieben Hochhäuser möglich klein aussehen zu lassen. Das gesamte Baufeld der Urbanen Mitte sei 4,5 ha groß. Auf Seite 8 des Prüfberichts heißt es, nur 0,5 ha der Fläche sollen bebaut werden, auf Seite 10 des Prüfberichts sind es dann 0,8 ha der Fläche – nur 17% der gesamten Fläche solle bebaut werden!

Das ist ein Trick, der von folgendem ausgeht:

  • Es wird so getan, als könne der U-Bahnhof Gleisdreieck überbaut werden. Das war jedoch nie gedacht (und wäre auch unrealistisch) den U-Bahnhof Gleisdreieck mit den darunterliegenden, gemauerten Viadukten zu überbauen.
  • die Trasse der S21 läuft durch das Baufeld und soll zu einem großen Teil überbaut werden. Die Bahntrasse wird hier einschließlich aller seitlich freizuhaltenden Abstände als bebaute Fläche bewertet.

Die Prüfer in der Senatsverwaltung operieren zudem mit falschen Zahlen.

Laut Grundbuchauszug ist das Grundstück der Urbane Mitte nicht 4,5 ha, sondern 42.630 m² groß. Davon entfallen 15.066 m² auf die BVG, die quasi als Beifang in den Netzen der Investoren gelandet ist, siehe Anfrage BVG von Niklas Schenker auf https://gleisdreieck-retten.de/dokumente/.

Vom Rest, also 27.564 m² sollen laut Bebauungsplanung 16.319 m² bebaut werden. Die nicht bebaubaren Flächen innerhalb der 27.564 m² sind der Rettungsplatz der Fernbahn, der nicht bebaubare Tunnel der S1 und S2 und der Verbindungsweg zwischen Ost- und Westpark mit ca. 1,2 ha.

Das Maß der Nutzung

Laut Prüfbericht sei die jetzige Planung mit 119.000 m² BGF (Bruttogeschossfläche) alternativlos. Ein Abweichen sei unmöglich, weil ansonsten eine dreistellige Millionensumme asl Schadensersatz fällig würde. Damit macht sich die Senatsverwaltung zum Erfüllungsgehilfen der Immobilienspekulanten. Sollte es tatsächlich zu einem Entschädigungsverfahren kommen, werden die Vertragsparteien des städtebaulichen Vertrages von 2005 sich auf eine Summe einigen müssen, notfalls in einem gerichtlichen Verfahren. Es ist unklug und unverantwortlich als zuständige Verwaltung vorab die Forderung der Immobilienspekulanten öffentlich als unabwendbar darzustellen.

Eine tatsächliche Prüfung des Maß der Nutzung ist nicht erfolgt. Die 119.000 m² BGF (Bruttogeschossfläche) sind nicht im städtebaulichen Rahmenvertrag von 2005 festgeschrieben. Festgeschrieben ist im Rahmenvertrag eine Berechnungsmethode, nämlich die GFZ (Geschossflächenzahl) von 3,5 multipliziert mit dem Nettobauland. Das Nettobauland beträgt schätzungsweise 24.000 m², multipliziert mit 3,5 ergibt sich eine BGF von 84.000 m². Eine Reduzierung des Bauvolumens wäre also möglich, ohne schadensersatzpflichtig zu werden.

Auf Seite 11 verweist der Bericht auf das sogenannte „Konsenskonzept“, im dem angeblich alle Teilnehmer der vorbildlichen Bürgerbeteiligung sich für die hohe Bebauung ausgesprochen haben sollen. Dabei wurden jedoch alle abweichenden Meinungen, die bei den Bürgerdialogen in der Mehrheit waren, unterschlagen. Trotzdem sollte die Senatsverwaltung das Konzept von März 2015 nochmal lesen. Denn damals ging man von 100.000 m² BGF (Bruttogeschossfläche) aus. Bei der Aufstellung des Bebauungsplans in 2016 wurde die Baumasse dann auf 119.000 m² BGF gesteigert. Bei einer ernsthaften Prüfung des Maß der Nutzung hätte man feststellen können, dass die 119.000 m² also nicht schon immer feststanden, dass also Abweichungen möglich sind.

Art der Nutzung

Wohnen wird nach wie vor ausgeschlossen mit der Begründung des Schienenlärms. Dabei gäbe es im südlichen Baufeld Bereiche, bei denen die Lärmwerte nicht überschritten werden. Und ob 70% Büros und 30% Kommerz (Einzelhandel, Gastronomie, Vergnügungsstätten) parkverträglich sind, ist sehr zweifelhaft, wurde aber nicht weiter erörtert. Wie könnte eine Alternative, eine gemeinwohlorientierte Nutzung des Baufelds aussehen, die Berlin nutzt und sich dem Park zuwendet? Das hätte ein Thema der Prüfung sein müssen.

Stattdessen gibt ein kleines Bonbon, das es den Bezirksverordneten erleichtern soll, für das Vorhaben zu stimmen: Im südlichen Bereich soll eine Einfachturnhalle in das Gebäude integriert werden. Das sind: 15 m × 27 m, also rund 500 m² einschließlich Umkleide, entspricht nicht einmal einem halben Prozent der Fläche des Gesamtvorhabens.

Gleichzeitig wird behauptet, im Rahmen der Projektentwicklung für das Baufeld Urbane Mitte hätte der Bezirk erreicht, dass von den Flächen des 4,5 ha großen Baufeldes Urbane Mitte insgesamt 1,2 ha als Freiraum öffentlich zugänglich werden: der Verbindungsweg zwischen Ost und Westpark und der Rettungsplatz am Tunnelmund.

Richtig ist jedoch, dass der Weg schon mit dem städtebaulichen Rahmenvertrag von 2005 gesichert wurde und dass der Rettungsplatz planfestgestellt ist. Man bekommt den Eindruck, hier wird versucht ein Drohpotential aufzubauen, nach dem Motto, wenn ihr dem Projekt Urbane Mitte nicht zustimmt, dann …

In einem Artikel auf Berlin-Boxx über eine Veranstaltung am 1. September 2022 heißt es:

. . . Berlins Bausenator Andreas Geisel (SPD) kritisierte beim Businessfrühstück im Berlin Capital Club vor Vertretern der Immobilienwirtschaft die Preisübertreibungen bei Grundstückspreisen in der Vergangenheit und erteilte der Spekulation mit Grundstücken eine Abfuhr . . .“

Die COPRO hat das Gelände der Urbanen Mitte 2014 erworben für 7,8 Mio. €. Nach dem ShareDeal im Herbst 2020 nach Luxemburg hält die COPRO über die UMB Beteiligungs GmbH gemeinsam mit der der TST Invest GmbH noch 11% der Urbanen Mitte Besitz S.à.r.l. Für den Verkauf ist eine Summe von 142,5 Mio. € tatsächlich bei den beiden Gesellschaften angekommen. Der Geldfluss ist ablesbar aus den beim Bundesanzeiger hinterlegten Bilanzen der beiden Firmen.

Fazit

Ein echte, transparente Prüfung steht noch aus. Die Senatsverwaltung alleine war hier zu offensichtlich nicht in der Lage

Zuerst veröffentlicht in gleisdreieckblog

 

Redaktion

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