Spaziergang mit Lia Hiltz und Paul Enck (20): Die Pumpe

Bild 1: Die Pumpe in der Lützowstraße
Copyright: Lia Hiltz

Groß genug ist sie ja, die eine verbliebene Pumpe (Bild 1), um daran Erinnerungen zu knüpfen, gute wie schlechte. Aber sie ist nicht, wie Lia meint, gebaut worden, um Frischwasser in die Häuser und Fabriken zu pumpen – das geht einfacher mit Wassertürmen und Frischwasserleitungen in jedes Haus, und die gab es in Berlin schon seit 1856 –, sondern vor allem, um Abwasser und menschliche Ausscheidungen wieder loszuwerden. Bis etwa 1875 geschah dies in Berlin nämlich auf heute unhygienisch anmutende Weisen: indem das Abwasser aus Küche, Bad und Waschkeller einfach in den Rinnstein geführt und weiter in den nächsten Fluss/Kanal geleitet wurde, und für die Fäkalien gab es in den Hinterhöfen und Gärten sogenannte Sickergruben, die regelmäßig von Gärtnern leergepumpt wurden, die damit ihre Felder außerhalb Berlins düngten, das sogenannte Tonnen- oder Abfuhrsystem. Als James Hobrecht (1825-1902), preußischer Baumeister und Ingenieur, vorschlug, nach englischem Vorbild ein unterirdisches gemeinsames Entsorgungssystem für Beides zu etablieren (1), gab es zunächst heftigen Widerstand: von den Gärtnern, die glaubten, durch die Verdünnung der Fäkalien mit Abwässern würde die Düngung der Felder weniger wirksam; die Hauseigentümer, weil sie die Kosten der Umstellung in den Häusern und auf den Grundstücken tragen sollten; und die Stadtverwaltung, weil sie die Kosten des Kanalbaus fürchtete. Und auch Rudolf Virchow (1821-1902), der große deutsche Arzt und Sozialmediziner, war der Meinung, man könne auf das Tonnensystem nicht völlig verzichten (2).

Bild 2: Die 12 Radialsysteme in der Stadt (Bild li.): Rot markiert das Radialsystem VII in der Schöneberger Vorstadt. Von hier aus führten Druckwasser-Rohre (Bild re. blaue Pfeile) auf die städtischen Rieselfelder im Süden der Stadt (blauer Kreis) (aus: 1) (Foto oben aus Wikipedia – gemeinfrei)

Hobrechts Plan sah 12 Pumpstationen (Radialsysteme genannt) im ganzen Stadtgebiet vor (Bild 2), in denen über unterirdische Kanäle die Abwässer aus den Straßen der jeweiligen Stadtbezirke zusammengeführt wurden – auch dazu war keine Pumpe nötig, weil hier natürliches Gefälle ausgenutzt wurde; das erste dieser Systeme wurde 1876 eröffnet. Für die Schöneberger Vorstadt war das Radialsystem VII zuständig, in das auch die Abwässer aus Teilen Charlottenburgs floss. Von der Station VII wurden die Abwässer dann über Druckrohre auf die Rieselfelder von Schenkendorf und Sputendorf im Süden Berlins transportiert (s. Bild 2) – dazu waren starke Pumpen notwendig. Das Pumpwerk VII wurde 1881–1883 erbaut und 1885 eröffnet und war über das Grundstück Genthiner Straße 4 (heute: 10) zugänglich, wo eine Grundschule stand; dieses Gebäude wurde später von der Stadt gekauft und ist heute noch dort. Der Pumpbetrieb wurde erst 100 Jahre später (1982) eingestellt. Alle Pumpen wurden demontiert, bis auf eine, die einer aufwendigen Restauration unterzogen und unter Denkmalschutz gestellt wurde. Seit 1988 gibt es hier das JugendKulturZentrum „Die Pumpe“ mit kulturellen Einrichtungen und einem Jugendgästehaus.

Literatur:

  1. Baurath Hobrecht, Bauinspector Adams. Die Canalisation von Berlin. In: Berlin und seine Bauten 1896, bearbeitet und herausgegeben vom Architekten-Verein zu Berlin und der Vereinigung Berliner Architekten. Berlin 1896, Band 1, Kapitel IX, S. 331-360.
  2. Rud. Virchow. Canalisation oder Abfuhr? Eine hygienische Studie. Berlin: Druck und Verlag Georg Reimer 1869.

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