Kommentar zum Thema „Bissingzeile“

Prof Dr. Paul Enck, Autor, auch für den Blog mittendran, und Experte für Stadtgeschichte:

So viel Geschichtslosigkeit tut schon weh

Soeben (September 2021) wurde die Komplettrenovierung des Hauses Bissingzeile 5 fertiggestellt, eines von 13 ehemaligen repräsentativen Stadthäusern dieser Privatstraße, in der nach ihrer Erstellung 1898 die Galerie Reiner & Keller residierte
(s. mittendran vom 28.3.2021), damals die Adresse Potsdamer Strasse 121. Und zu meiner Überraschung prangt am Hauseingang das Schild „Bissingpalais“ (Bild), so als hätte Herr Bissing hier persönlich residiert, was nie der Fall war.

Bissingpalais – Tafel am restaurierten Haus Bissingzeile 5
Foto: P. Enck

So viel Geschichtslosigkeit ist denn doch mehr als erstaunlich: Ein Blick in Wikipedia hätte genügt um zu erfahren, dass der Namensgeber der Straße, Moritz Ferdinand Freiherr von Bissing (1844-1917), zwar den Nationalsozia-
listen genehm war, als die Bissingzeile 1936 ihren Namen bekam (Straße wurde sie erst 1957), den Bewohnern der Straße aber nicht gut zu Gesicht stand und steht: Regierte doch Bissing als General-
gouverneur des ehemals neutralen Belgiens nach dem deutschen Überfall 1914 dort rigoros und ist (mit)verantwortlich für die zahlreichen Kriegsverbrechen der deutschen Militärs gegenüber der belgischen Zivilbevölkerung (1). Und auch wenn Umbenennungen nicht die Geschichte vergessen machen können, so sollten doch solche Neubenennungen mit mehr historischem Spürsinn vorgenommen werden.

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Moritz_von_Bissing

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