Spaziergang mit Lia Hiltz und Paul Enck (7):
Am Landwehrkanal

Lia, der Landwehrkanal ist sehr lang (mehr als 10 km), und wo Rosa Luxemburg „entsorgt“ wurde (Bild 1) war mir nicht klar, bis ich neulich an die Stelle kam, wo eine Gedenktafel an ihre Ermordung und die von Karl Liebknecht erinnert.

Bild 1: „Soll ich da einfach wegsehen?“, Lia Hiltz

Das ist „eigentlich“ nicht mehr im Lützow-Kiez, aber es gibt dennoch eine Verbindung, und die geht so ….

Beide, Rosa Luxemburg (* 1871) und Karl Liebknecht (* 1871) wurden am Abend des 15. Januar 1919 in einer Wilmersdorfer Wohnung, in der sie sich versteckt hielten, von Nachbarn (einer „Bürgerwehr“) verraten und der Polizei gemeldet: sie hatten im November 1918 den kommunistischen Spartakus-Bund gegründet, an den Januar-Aufständen 1919 (den sogenannten Spartakus-Aufständen) teilgenommen und wurden polizeilich gesucht – auch die regierenden Sozialdemokraten beteiligten sich an dieser Hetze. Die Polizei überließ sie einer rechtsradikalen Gruppierung von Marine-Offizieren, die sie unter der Leitung eines Waldemar Pabst (1880-1970) im Hotel Eden am Kurfürstendamm verhörten.

Rosa Luxemburg wurde gegen 22.00 h verhört und gegen 23.30 h und vermutlich bereits im Auto auf dem Weg in den Tiergarten erschossen. Ihre Leiche wurde in der Nähe der Lichtenstein-Brücke in den Kanal geworfen, in der Tat „entsorgt“ wie Abfall (Bild 2). Trotz intensiven Suchens wurde sie erst Monate später (am 30. Mai) gefunden und identifiziert. Am 13. Juni fand die Beisetzung von Rosa Luxemburg statt, mit einer großen Trauergemeinde.

Bild 2: Gedenktafel für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht (Foto: Paul Enck)

Karl Liebknecht war bereits gegen 21.00 h verhört, um 21.45 h abgeführt und in der Nähe des Neuen Sees im Tiergarten hinterrücks ermordet worden; seine Leiche wurde um 23.15 h der Polizei gemeldet. Am 25. Januar 1919 wurde Karl Liebknecht mit weiteren 33 Opfern des Spartakusaufstandes in Friedrichsfelde bei Berlin beerdigt. Für Rosa Luxemburg wurde ein leerer Sarg bestattet. Im Trauerzug liefen etwa 100.000 Menschen mit. Bei einer wenige Tage später stattfindenden Trauerfeier von Freunden und Weggefährten spielte auch ein stadtbekanntes Orchester, das Blüthner-Orchester (sie spielten die Trauermärsche aus Beethovens Eroica und aus Wagners Götterdämmerung )….

…. und das kam aus dem Lützow-Viertel, genauer aus der Lützowstraße 76 (heute: die Firma Bergmann und Franz), wo zwischen 1907 und 1927 der Blüthner-Konzertsaal war, der 1927 in Bach-Saal umbenannt wurde. Das Orchester war weit über Berlin hinaus bekannt und spielte an Wochenenden auch freie, öffentliche Konzerte für die Bevölkerung, aber die Tatsache, dass das Orchester bei dieser speziellen Trauerfeier aufspielte, entzündete einen Presse-Proteststurm (heute würde man sagen: einen Shitstorm) ohnegleichen, mit Verleumdungen der beteiligten Musiker und ihres Dirigenten („aus Russland bezahlt“), mit Drohungen, Boykottaufrufen und Konzertabsagen einerseits, mit Solidaritätsadressen anderer Künstler andererseits. Erst als sich Konzertmeister Scheinpflug öffentlich entschuldigt hatte, konnte das Orchester die Saison fortsetzen und beenden. Die Frankfurter Zeitung „gab ihrer Verwunderung darüber Ausdruck, daß der Haß offenbar über das Grab hinausreiche und Künstler, die lediglich ihren Beruf ausgeübt hätten, denunziert und verfolgt würden“ (1).

(1) Michael Walter. Hitler in der Oper. Deutsches Musikleben 1919 – 1945. Verlag J.B.Metzler, Stuttgart/Weimar 2000, S. 19ff.

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