Spaziergang mit Lia Hiltz und Paul Enck (2): Die Glocke

Vier Augen sehen mehr als zwei, aber manchmal sehen 2 x 2 Augen auch etwas völlig anderes, wenn sie auf das Gleiche schauen. Lia, die kanadische Zeichnerin (s. mittendran.de vom 28.4.2021), sieht den Kiez von heute mit anderen Augen als Paul, der Historiker und Autor von den „Straßen im Kiez“; heute: Die Glocke an der Elisabeth-Klinik.

Glocke der Elisabeth Klinik und Gedenktafel für J.E.Gossner (Copyright: Lia Hiltz)

Lia fragt: … Übrigens, weißt du, woher die Glocke neben der Elisabethklinik kommt? Meine Antwort: In der Geschichte des Krankenhauses (1) wird die Glocke erwähnt, die nach der Zerstörung der Kirche 1945 von der Feuerwehr geborgen wurde.

Die Geschichte geht auch etwas genauer: Das Elisabeth-Krankenhaus ist die zweitälteste Klinik in Berlin (die älteste ist die Charité), gegründet 1837, als es hier vor den Toren der Stadt und auf Schöneberger Gebiet nur ganz wenige Häuser gab zwischen der Mautstation der Potsdamer Chaussee an der Kreuzung mit dem Lietzower Weg (der heutigen Lützowstrasse) und dem Schafgraben, dem heutigen Landwehrkanal. Der Frauen-Kranken-Verein, (es gab auch zeitgleich einen Männer-Kranken-Verein), 1833 gegründet von Johannes Evangelista Gossner (1773-1858), dem Prediger der reformierten Bethlehem-Gemeinde in Berlin, hatte das Gelände 1837 von der Witwe des Apothekers Wendland gekauft, der sich hier 1825 zur Ruhe gesetzt hatte, aber wenig später verstarb. Ab 1838 hieß das Haus „Elisabeth- Krankenhaus“, benannt nach der Königin Elisabeth von Preußen (1801-1873), der Gemahlin des Königs Friedrich Wilhelm IV (1796-1861).

Was erst nur ein großes, 2-stöckiges Wohnhaus war, das erlaubte, bis zu 50 Kranke aufzunehmen, wurde bereits 1839 um ein dreistöckiges Klinikgebäude erweitert mit bis zu 100 Betten, in weiteren Ausbaustufen erreichte das Krankenhaus bereits 1867 eine Kapazität von 200 Betten. Links neben dem dreigeschossigen Hauptgebäude war in diesem Jahr eine Kirche gebaut worden, auf deren Spitze die Glocke thronte (Bild 2, links). In den letzten Kriegstagen des 2. Weltkriegs wurden das Krankenhaus und die Kirche von Bomben schwer getroffen, aber die Glocke blieb an ihrem Platz (Bild 2, rechts) und musste nach dem Waffenstillstand von der Feuerwehr geborgen werden, da Einsturzgefahr bestand. 1952 wurden das obere Stockwerk und die Kirche abgetragen, der reduzierte Altbau musste später dem Neubau des Alten- und Pflegeheimes weichen. Zur Erinnerung an die ursprüngliche Situation wurde eine Plakette in den Boden eingelassen (Bild 1, rechts unten) und die Glocke an ihrem jetzigen Standort aufgehängt.

1. Clemens Tangerding. Geschichte der Evangelische Elisabeth Klinik Berlin. Herausgegeben von der Paul Gerhard Diakonie. Berlin 2012 (https://www.pgdiakonie.de/evangelische- elisabeth-klinik/unsere-historie/)

 

 

 

Elisabeth-Krankenhaus (Kapelle) vor und nach der Zerstörung 1945 (Quellen, links: Berlinische Galerie, Foto von M.Panckow 1870-1875, Inventar Nr. BG-FS 001/79,68, gemeinfrei; rechts: Otto Harless. Jahresbericht von 1943-1945. In: Walter Augustat, Hg. 125 Jahre Elisabeth – Diakonissen- und Krankenhaus in Berlin. Festschrift 1837 – 1962. Berlin 1962, S. 86, Fotograf unbekannt)

Mehr über Lia erfahren Sie hier; mehr zu Paul hier.

 

 

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