Spaziergang in die Vergangenheit (3): Die Unger-Klinik in der Derfflingerstraße 21

In unserem Artikel über die Klinik des jüdischen Arztes und Wissenschaftlers Prof. Ernst Unger (mittendran vom 20. März 2023) hatten wir, sehr zu unserem Bedauern, keine historischen Bilder des Gebäudes zeigen können, weil die einzigen uns bekannten Fotos Copyright-geschützt im Archiv der Bayerischen Staatsbibliothek lagen und nur gegen eine hohe Gebühr erhältlich waren. Jetzt tauchte ein Satz Bilder der Fotografin Liselotte Purper (1918-2002) auf, die diese 1937 in einer Zeitschrift (1) zur Eröffnung des „Hauses der Deutschen Frau“ veröffentlicht hatte, nachdem die NSDAP 1936 die Klinik des Prof. Unger „übernommen“ und der NS-Frauenschaft als Tagungs- und Bürogebäude überlassen hatte. Die Klinik war zu diesem Zeitpunkt im Inneren umgestaltet worden, aus Patientenzimmern waren Büros geworden, aber der idyllische Charakter des Innenhofes war erhalten geblieben (Bild 1 und 2).

Bild 1 und 2: Blick durch das Hoftor (unten) und von einer Loggia der früheren Klinik in den Garten. Aufnahme von 1937, Fotografin: Liselotte Purper, mit freundlicher Genehmigung der Tochter. Quelle: (1)

Auch die Fassade zur Straße hin hatte eine Umgestaltung erfahren, wie das Landesdenkmalamt bedauernd feststellt (Bild 3): „… 1936 von Architekt Böttcher im Sinne nationalsozialistischer Architekturauffassung mit monotoner Fensterreihung, kräftig profilierten Rahmungen, einem ausladenden Balkengesims und französischen Fenstern umgestaltet.“ (2). Für diese Bilder haben wir die Abdruckgenehmigung der Tochter der Fotografin, Annette Philipp, erhalten.

Bild 3: Fassade des Hauses Derfflingerstraße 21 nach der Umgestaltung 1937. Aufnahme von 1937, Fotografin: Liselotte Purper, mit freundlicher Genehmigung der Tochter, Quelle: (1).

Spannend und lehrreich war auch hier die Bildersuche: Dr. Friederike Beyer, Leiterin der Ernst-Schering-Schule in Berlin-Mitte, die in der Derfflingerstraße wohnt, hatte die Bilder aufgetan, im Rahmen einer Recherche zur NS-Frauenschaft. Die Quelle, die Zeitschrift „Frauen-Kultur“, war schnell gefunden, aber für die Frage, wer das Copyright der Bilder hat, mussten wir das Deutsche Historische Museum (DHM) aufsuchen. Das DHM besitzt ein Konvolut von mehr als 600 Fotos von Liselotte Purper, weitere 625 Fotos sind in der Bildagentur der Stiftung Preußischer Kulturbesitz archiviert (3) – in beiden waren diese Bilder nicht enthalten. Daher konnte nur die Alleinerbin der Fotografin, besagte Annette Philipp, das Copyright besitzen, das erst 70 Jahre nach dem Tod der Fotografin ausläuft – so lange konnten und wollten wir nicht warten! Die Archivarin des DHM stellte den Kontakt her.

Zum Abschluss der Geschichte der Unger-Klinik schließlich noch ein Foto der Familie Unger (Bild 4), das uns freundlicherweise Enno Winkler zur Verfügung gestellt hat, der 1975 seine Doktorarbeit über Ernst Unger geschrieben hatte (4). Die Geschichte der Nutzung des Gebäudes durch die NS-Frauenschaft soll dann in einem separaten Artikel erfolgen.

Bild 4. Ernst Unger und seine Familie, fotografiert während eines Besuches in London 1935 bei seinem Sohn. Von links nach rechts: Tochter Irmgard, Ernst Unger, seine Frau Paula geborene Birnbaum und sein Sohn Wolfgang (Fotograf unbekannt, die Nachkommen der Familie Unger in England hatte dieses Fotos dem Biografen Enno Winkler (4) zur Verfügung gestellt).

Literatur

  1. „Frauen-Kultur im Deutschen Frauenwerk“, 41. Jahrgang, Juli-Heft 1937.
  2. https://denkmaldatenbank.berlin.de/daobj.php?obj_dok_nr=09050303.
  3. https://www.bpk-bildagentur.de/.
  4. Enno A. Winkler. Ernst Unger (1875-1938). Eine Biobibliographie. Dissertation. Berlin: Internationale Verlags-Anstalt 1976.

Paul Enck

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