Das Brandenburger Tor – museumsreif?

Die Neuerscheinung aus dem Elsengold Verlag beleuchtet eines unserer  Nationalsymbole – seine Geschichte, seine gelösten Rätsel – und damit den Lauf der deutschen Geschichte über mehr als zwei Jahrhunderte. Die 200 spannenden Seiten sind der perfekte Schmöker für lange Herbst- und Winterabende. Am Ende überrascht die versierte Autorin mit einem großen Wunsch…

Die Geschichte des „Meisterwerks vorindustrieller Ingenieursbaukunst“ (errichtet von Carl G. Langhans zwischen 1789-1791) mit ihrer (1794 aufgestellten) Quadriga von Johann Schadow, ist ebenso dynamisch, wie die wechselvolle Geschichte der Stadt und wird in vier Artikeln von der Autorin Zitha Pöthe-Elevi äußerst detailreich  vorgestellt. 

Beruhend auf dem vergessenen Briefwechsel zwischen König Friedrich Wilhelm II. und seiner Schwester Wilhelmine von Preußen, wird deutlich,  warum das frühklassizistische Tor 1789-1793 von Carl Gotthard Langhans überhaupt erbaut wurde: um nach einem politischen Erfolg den König als Garant des Friedens zu feiern. 

Über die Baugeschichte des Friedentors und die Erläuterungen der bildlichen Reliefdarstellungen aus griechischen Mythen und Christentum,  beschreibt die Autorin ausführlich im ersten Kapitel „Die graue Vorzeit“, die Hintergründe des Raubs der Quadriga durch Napoleon, und deren triumphale Rückkehr acht Jahre später 1814. Die Entwicklung zum Kaiserreich wird unter dem Abschnitt „Das eiserne Zeitalter“ beschrieben: Berlin steigt zur Reichshauptstadt auf – und als der Kaiser flieht,  bleibt das Tor. Im Dezember 1918 begrüßt ein Banner mit der Aufschrift „Frieden und Freiheit“ die heimkehrenden geschlagenen Soldaten des Ersten Weltkriegs. Sehr zügig folgen im Text in aller Kürze die Weimarer Republik, das Dritte Reich und der verlorene Zweite Weltkrieg. Die stabile Statik von Architekt Langhans hatte das Tor sogar bombensicher gemacht: zwar stark beschädigt, stand es immerhin noch, um die Flüchtlingsströme aus dem Osten zu begrüßen.

Unter dem Titel „Eiszeit“ schildert Zitha Pöthe-Elevi den Zwist um das geteilte Tor, sowie die schwierigen Nachkriegsjahre in zwei deutschen Staaten. Die schrottreife Quadriga auf dem Brandenburger Tor, wurde zunächst durch die rote Fahne des Sozialismus ersetzt. So groß die Dissonanzen zwischen Ost und West auch waren, gelang Ende der Fünfziger Jahre die Restauration des Toren und die Rekonstruktion der Quadriga, deren Gipsformen für 5000 Hohlteile im Museum Dahlem gelagert gewesen waren. Das wiedererstandene Tor sollte nur wenige Jahre später zum traurigen Zeitzeugen des Baus des „Antifaschistischen Schutzwalls“ im August 1961 werden. 28 Jahre dauerte es, bis das Bauwerk wieder zum Symbol für Frieden und Freiheit wurde: am 09. November 1989, einer Nacht, die das Gebäude schwer in Mitleidenschaft zog, dem Land aber die Wiedervereinigung ermöglichte. 

Das Schlusskapitel „Jetzt und immerdar“ erzählt vom neuen Leben im ehemaligen Todesstreifen und betrachtet auch die Schicksale der benachbarten Gebäude und ihrer Bewohner rund um den Pariser Platz: Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas , das Hotel Adlon Kempinski, das Haus des Künstlers Max Liebermann, die Akademie der Künste, sowie die beiden Botschaftsgebäude der USA und Frankreichs.  

Die Autorin, die als Historikerin über das Brandenburger Tor promovierte und Gründungs- und Vorstandsmitglied der jungen Carl-Gotthard-Langhans-Gesellschaft Berlin e.V. 2018 ist, äußert auf der allerletzten Seite ihren Wunsch – und verwandelt so ihr Buchwerk im Handstreich in ein planvoll angelegtes Plädoyer: 

Da das Brandenburger Tor in Zuständigkeit von mehreren Behörden liegt und keinem Museum angebunden ist, aber schon lange „im besten Sinne des Wortes museumsreif“ ist, schlägt Zitha Pöthe-Elevi ein BRANDENBURGER-TOR-MUSEUM  vor. Diese Einrichtung, gefördert von Land und Bund, könne alle Aspekte, wie Forschung, Denkmalpflege, virtuelle Konservierung zusammenführen und das Tor als Nationalsymbol vor der Vereinnahmung durch verschiedene Gruppen schützen und erhalten. Die Diskussion kann beginnen. Eine Bewerbung für künftige Führungsaufgaben liegt vor.

 

Zitha Pöthe-Elevi

DAS BRANDENBURGER TOR – Geschichte eines Berliner Urgesteins

207 gebundene Seiten, zahlreiche farbige und schwarzweiße Abbildungen, 25 €

Elsengold Verlag, Berlin 2021

 

Schreibe einen Kommentar