Zurück zu den Anfängen

Sex – „ein göttliches Vergnügen“ (Foto: BSE)

Verrichtungsboxen unter die Bülow-Bögen?

Prostitution ist das „älteste Gewerbe“ der Menschheit, heißt es. Seit über hundert Jahren auch im Kurfürstenkiez ansässig und seither wird hier „Straßensexarbeit“ geleistet. Und leider kommt es immer wieder vor, dass Sexarbeiter*innen im Kiez an zweckentfremdeten Orten den Verkehr vollziehen.

Warum? Sanitäre Einrichtungen und legale Vollzugsorte gibt es kaum. Vor Ort gibt es noch 2 Stundenhotels für rund 180 Sexarbeiter*innen und 1 öffentliche City Toilette an der Ecke Kurfürstenstraße Potsdamer Straße. Seit neuestem ziert auch den Magdeburger Platz eine Ökotoilette, die den Magdeburger Platz von Verunreinigungen entlasten soll….und für Vollzug genutzt wird.

Wohin also weichen die Sexarbeiter*innen mit ihren Freiern aus? Autos und Parkplätze mit wenig (Sicht)Schutz, sowohl für die Frauen, als auch für Passanten; die dunklen Ecken, die tagsüber gar nicht mehr so dunkel sind; Gebüsche und Hauseingänge. Und leider, leider werden auch manchmal Spielplätze zum Schauplatz des ältesten Gewerbes der Welt.

Andere Städte haben das Problem der fehlenden Platz-Angebote für den Straßenstrich in Angriff genommen und erfolgreiche Lösungen gefunden.

Die erste Stadt war Utrecht in den Niederlanden. Bereits 1986 – ja, schon vor 32 Jahren! – setzten sich Ordnungsamt, Politik und Soziale Dienste gemeinsam mit Städtebauplaner*innen und Sexarbeiter*innen zusammen und entwickelten ein tragfähiges Konzept für einen Straßenstrich. Dieses beinhaltete eine kontrollierte Straßenführung mit einer Anbahnungzone, Verrichtungsboxen zum Vollzug, regelmäßige Polizeikontrollen der Anmeldung der Sexarbeiter*innen, aber auch Angebote von Sozialen Diensten vor Ort mit sozialarbeiterischer und gesundheitlicher Fürsorge und eine gute Anbindung an die Infrastruktur.

VERRICHTUNGTBOXEN? Was soll das sein?

Verrichtungsboxen (Grafik mit freundlicher Genehmigung von Volkmar Nickol)

Verrichtungboxen ähneln einer Garage oder einem Carport. Sie bestehen zumeist aus Holz, können aber auch variabel aus Blech oder ähnlichem gebaut werden. Sie sind leicht, kostengünstig und unkompliziert aufzubauen.

In einigen Städten gibt es diese Boxen auch in kleineren Ausführungen, um sie als Fahrradfahrer oder Fußgänger mit Sexarbeiter*innen nutzen zu können.

Durch die Installation der Verrichtungsboxen in den ausgewählten Gebieten waren gleich mehrere der möglichen Begleiterscheinungen von Straßenprostitution eingedämmt:

  • Sichtbarer Sex:Die Verrichtungsboxen gewähren Sichtschutz auf 3 Seiten und wenn gewünscht via Dach auch nach oben hin.
  • Müll:Durch einen installierten Mülleimer in den Liebesgaragen wird der Müll direkt entsorgt wo er entsteht und stört niemanden mehr, ergänzt werden kann dies durch einen Spritzenabwurfbehälter.
  • Sicherheit:Verrichtungsboxen können auf unterschiedliche Weise zur Sicherheit der Sexarbeiter*innen beitragen. Das Aussteigen für den Fahrer kann unmöglich gemacht werden, ein Notausgang in Fahrrichtung und ein Notfallknopf, der direkt an einen Sicherheitsdienst oder die Polizei gekoppelt ist, ergänzen das Konzept.
  • Safer Sex und Safer Use:Die Boxen können ebenfalls mit Kondom- und Spritzenautomaten ausgestattet werden. Diese können genutzt werden falls die sozialen Dienste nicht vor Ort sind, oder Frauen sich (noch) scheuen, deren Angebote in Anspruch zu nehmen.
  • Aufklärung:Die Verrichtungsboxen bieten auf allen Seiten genug Fläche um für soziale Unterstützungsangebote in den entsprechenden Sprachen zu werben.

Häufig wurden die Gebiete mit den Verrichtungsboxen auch mit Parkschranken versehen, der geringe Betrag wurde unter anderem für die Reinigung der Boxen genutzt.

Unter anderem werden in folgenden Städten Verrichtungsboxen bereits seit mehreren Jahren erfolgreich umgesetzt: Utrecht seit 1986, Köln seit 2001 sehr erfolgreich, Zürich seit 2013, Bonn 2011

Verrichtungsboxen sind sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber Fakt ist, dassin Deutschland täglich mehr als eine Million Männer aller sozialen Schichten die Dienste von Prostituierten aufsuchen. Und leider wollen ihn viele sehr, sehr billig. Denn Geiz ist ja geil! Wie uns ein bekannter Werbespruch suggeriert. Solange sich an den Ursachen für die Straßenprostitution und an den Lebensumständen von Menschen in der Armutsprostitution in Deutschland nichts ändert, wird es schwer werden, sozial- und gesellschaftsverträgliche Lösungen zu erzielen. Verrichtungsboxen könnten aber einen Schritt auf dem langen Weg der Akzeptanz und zu einem nachbarlichen Miteinander bedeuten und somit eine Verbesserung der Situation für alle Beteiligten herbei führen.

Der Straßenstrich in Berlin begann unter den „Bülow-Bögen“, vielleicht könnte man dort ein paar Boxen aufstellen – oder auf dem ungenutzten Betriebshof des Grünflächenamts im Park am Karlsbad?

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