Stille Heldinnen 2

Noch ein Beitrag zum Weltfrauentag

Frauen im Widerstand – die Widerständigen.

Da denken viele an Sophie Scholl, manche an die Frauen der „Roten Kapelle“. Aber es waren derer sehr viel mehr. Noch heute ist der Anteil dieser Frauen im Kampf gegen den NS-Staat in der Öffentlichkeit wenig bekannt. In der Aufarbeitung des Widerstands gegen das Nationalsozialistische Terrorregime wurden Frauen oft übergangen. Vielen von ihnen war und ist noch heute ihre eigene Tat nicht bedeutend genug, um sie „Widerstand“ zu nennen. Und doch haben viele ihr riskantes Handeln nicht überlebt oder litten ein Leben lang unter den zugefügten Traumata.

Gertrud Winter – eine standhafte Widerständige in unserem Kiez

(Beitrag von Hans Rainer Sandvoss, aus „Widerstand in Mitte und Tiergarten“)

Gertrud Winter (Quelle: Schriftenreihe über den Widerstand in Berlin)

Gertrud Winter (1896-1988) war auf Grund eines Verkehrsunfalls, der ihre Sehfähigkeit stark beeinträchtigte, vorzeitig aus der Polizeiverwaltung ausgeschieden. 1929 fiel ihr durch Erbschaft das väterliche Juweliergeschäft in der Tiergartener Kluckstraße 13 zu, das sie von nun an bis zur Zerstörung in den letzten Kriegswirren betrieb.

Politisch standen sie und ihr Bruder besonders der von Gustav Stresemann geprägten liberalen Deutschen Volkspartei (Gruppe Westen) nahe. Daneben engagierte sie sich bei den Freimaurern (Loge Eisenacher Straße unter Dr. Ernst A. Heimann) und warnte in Gesprächskreisen und durch die Verbreitung von Aufklärungsliteratur vor dem Nationalsozialismus.

Im Juni 1934 reiste sie im Auftrag von Dr. Landsberg, dem Nachfolger des verstorbenen Logenbruders Dr. Heimann, in die Tschecheslowakei und überbrachte geheimes Material über die Nazimorde anläßlich der angeblichen Röhm-Revolte. (Auf der von ihr ins Ausland geschmuggelten Namensliste stand auch der Sohn des Tiergartener Rechtsanwalts Voß.) Auf der Rückfahrt wurde sie das erste Mal für kurze Zeit verhaftet, da man sie dabei beobachtet hatte, wie sie antinazistisches Material nach Berlin (an ihren Bruder) sandte. Nach ihrer Rückkehr konzentrierte sie ihre illegale Arbeit – unter anderem in einer Widerstandsgruppe um den Kreuzherger Verleger Cuno Harkenbach – ganz besonders auf die Hilfe für bedrohte und verfolgte Juden. Sie stand dabei auch in Verbindung zu einem illegalen Kreis der Dahlemer Bekennenden Kirche um Dr. Franz Kaufmann.

Gertrud Winter teilte 1949 mit: „So habe ich laufend diesen Unglücklichen Unterkunft … gewährt oder habe ihnen bei meinen Bekannten ein Unterkommen verschafft. ln meiner damaligen aus fünf Räumen mit Nebengelaß bestehenden Wohnung habe ich in den folgenden Jahren ständig ein bis zwei Juden bzw. Jüdinnen untergebracht und versteckt gehalten. So hatte ich u. a. in meinem Geschäft über dreieinhalb Jahre eine Volljüdin namens Weihrauch unter dem Decknamen Gerda Weber fest angestellt und eine andere unter dem Namen ,Fräulein Lydia‘ gehende Volljüdin bei mir als Haushaltshilfe eingestellt. Ferner habe ich eine Reihe anderer illegal lebender Personen kurzfristig bei mir beschäftigt.“

Mit bewundernswerter Ausdauer, großem Ideenreichtum und anhaltendem Mut entwickelte sie Pläne und erdachte geheime Wege und Quartiere, um verfolgten Juden beizustehen. Die Gestapo begann sich für sie zu interessieren, verhaftete sie mehrmals und hielt sie ein bis zwei Tage fest. Im Mai 1940 wurde sie sogar überfallen und zusammengeschlagen. Ihre letzte Verhaftung erfolgte Mitte Juni 1944 wegen Beihilfe zur Flucht für eine Jüdin nach Polen. Als ein großer Bombenangriff auf dem Polizeipräsidium Verwirrung und Durcheinander hervorrief, gelang es Frau Winter, mit einigen anderen zu fliehen. Danach mußte sie sich selber für einige Wochen verstecken. Das Kriegsende erlebte sie in Storkow bei Königs Wusterhausen.

Gertrud Winter (1896-1988) berichtete 1985: „Im allgemeinen durften wir Mitglieder der Gruppe Harkenbach unsere Betreuten nur etwa vier Wochen aufnehmen, es wurde uns dazu geraten, die Zeit eher zu verkürzen. Es sollte ja nach außen nicht auffallen. Vier Wochen konnte man gerade noch ,Besuch‘ haben. Was darüber hinausging war gefährlich. Mit Zunahme der Bombenschäden [1943/44] konnten wir dann wiederholt auch falsche Papiere besorgen. Durch Gespräche mit auskunftsfreudigen Geschäftsleuten und unter Zuhilfenahme des alten Berliner Adreßbuches, das damals noch Hausbewohner mit Berufsbezeichnungen aufführte, ermittelten wir Namen und Anschriften von Bombenopfern in Bereichen, in denen auch die zuständigen Polizeireviere zerstört worden waren. Wir wandten uns dann an die Ersatzreviere zwecks Ausstellung angeblich verlorener Ausweise.

Nach dem Krieg hatten die jahrelange Aufregung und Überanstrengung schließlich zur völligen Erblindung geführt. Hochbetagt und schwerbehindert war sie doch bis über ihren 90. Geburtstag hinaus geistig sehr lebendig.

 

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