Vor 150 Jahren

Reichstag (Foto:Jürgen Matern, via Wikimedia Commons)

Heute vor 150 Jahren wurde er erstmals eröffnet: Der Deutsche Reichstag

Die mit kaiserlichem Pomp gefeierte Eröffnung bildete den Abschluss des „Reichseinigungsprozesses“, dem die Kaiserproklamation in Versailles am 18. Januar 1871 vorausging. Eigentlich bestand das Deutsche Reich aber schon seit dem 1. Januar 1871, dem Tag an dem die vom Norddeutschen Bund verabschiedete Verfassung in Kraft getreten war.

„Am frühen Nachmittag des 21. März 1871 versammeln sich die neu gewählten Mitglieder des ersten Reichstages im Weißen Saal des königlichen Schlosses zu Berlin und erwarten die Ankunft Kaiser Wilhelms. In den Ecken des Saales stellen sich Militär, Räte, Diplomaten und Gesandte auf. Die Bevollmächtigten des Bundesrates beziehen neben dem Thron ihre Position. Unter Hochrufen betritt daraufhin die kaiserliche Entourage den Saal: Den Hofchargen und Zeremonienmeistern, die ein Spalier bilden, folgen die preußischen Generäle und der Oberstkämmerer, die mit Schwert, Apfel, Zepter und Krone die Reichsinsignien hereintragen und auf Podesten neben dem Thron ablegen. Generalfeldmarschall von Wrangel schreitet dem Kaiser voran und tritt mit der Reichsfahne rechts, General von Moltke mit dem Reichsschwert links hinter den Thron. Hinter dem Kaiser betreten der Kronprinz, die regierenden deutschen Fürsten und deren Prinzen den Saal und reihen sich auf der rechten und linken Seite des Thrones auf. Nachdem der Kaiser auf dem Thron Platz genommen hat, tritt Reichskanzler Otto von Bismarck hervor und überreicht sich verneigend die Thronrede, die Wilhelm – wie das Protokoll vermerkt – „unbedeckten Hauptes“ verliest. Nach Beendigung der Rede mit den Worten „Das walte Gott“ tritt erneut Bismarck hervor und verkündet: „Auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers erkläre ich im Namen der verbündeten Regierungen den Reichstag für eröffnet.“ Neuerliche Hochrufe geleiten nun den Kaiser und sein Gefolge aus dem Saal, während sich die Abgeordneten für die konstituierende Sitzung in die Räume des preußischen Abgeordnetenhauses am Dönhoffplatz begeben.“

Trotz monarchischer Zurschaustellung, trotz militärischer Inszenierungen, trotz Personenkult um Bismarck, kann nicht übersehen werden, dass die deutschen Parlamente entscheidenden Anteil an der Reichsgründung hatten. Schließlich waren es die auf breiter demokratischer Grundlage gewählten Abgeordneten, die „in der parlamentarischen Tradition der Paulskirche eine Deputation in das Hauptquartier nach Versailles entsandt hatten, um dem preußischen König die Kaiserwürde anzutragen. Symbolisch sollte damit – so formulierte es der nationalliberale Abgeordnete Eduard Lasker – der Kaiserkrone „der populäre Ursprung aufgedrückt“ werden.“

In seiner Thronrede formulierte Kaiser Wilhelm der Erste die vordringliche Aufgabe des neuen Reichstags, die in den Novemberverträgen (der deutschen Länder) verstreuten Verfassungsbestimmungen in einer „neuen Redaktion der Reichsverfassung“ zusammenzuführen. Über den von Bismarck vorgelegten Entwurf debattierten die Abgeordneten ausführlich und vollendeten den Prozess der Reichsgründung indem sie  am 14. April 1871 die Reichsverfassung  mit großer Mehrheit verabschiedeten.

Das von 1884 bis 1894 nach den Plänen von Paul Wallot gebaute Reichstagsgebäude wird wie kaum ein anderes Gebäude Symbol der demokratischen Geschichte Deutschlands werden:

  • Mitten im ersten Weltkrieg wird es mit einer Inschrift „Dem Deutschen Volke“ gewidmet.
  • Vom Balkon des Westportals wird am 9. November 1918 Phillip Scheidemann die Republik ausrufen.
  • Am 27. Februar 1933  beginnt hier mit dem Reichstagsbrand der Vernichtungsfeldzug der Nazis gegen die deutsche Demokratie.
  • Nach der durch friedliche Revolution errungenen Wiedervereinigung wird das renovierte Reichstagsgebäude mit der ersten Sitzung des Bundestages am 19. April 1999 erneut Symbol einer wehrhaften Demokratie.

 

(Der Beitrag basiert auf der Mitteilung des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages Nr. 04/21 (11. März 2021) © 2021 Deutscher Bundestag)

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