Potsdamer Straße für Radfahrende und Zufußgehende sicherer und komfortabler machen

Das Stadtteil-Forum Tiergarten Süd schlägt temporäre Maßnahmen bis zum Beginn der verkehrlichen Neuordnung des Straßenraumes vor.

(ein Beitrag von Regine Wosnitza)

Die Vorplanungen der Straßenbahnstrecke zwischen Alexanderplatz und letztendlich Steglitz sind auf dem Weg, doch wird es noch dauern, bis die Potsdamer Straße davon betroffen ist.

Im Juni stellt die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz zusammen mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) die Vorplanung bis zum Potsdamer Platz/Kulturforum vor. Es ist gut möglich, dass die Planungen über den Landwehrkanal und die Potsdamer Straße hinunter erst in fünf oder acht Jahren beginnen. Bis dahin ist dieser Abschnitt „planungsbefangen“, d.h. dort werden keine Umbaumaßnahmen getätigt.

Am 2. April 2019 hat das Stadtteil-Forum deshalb einen Beschluss gefasst, um die Zeit bis zu den kompletten Neubaumaßnahmen mit temporären Maßnahmen zu überbrücken.

Kurzfassung
Um die Potsdamer Straße bis zum Beginn der verkehrlichen Neuordnung des Straßenraumes in circa 8 bis 10 Jahren für Radfahrende und Zufußgehende sicherer und komfortabler zu machen, sollten folgende Maßnahmen ergriffen/umgesetzt werden:

  1. Die Busspur sollte ganztägig ausgewiesen werden.
  2. Auf der Busspur sollten Fahrradpiktogramme zusätzlich aufgebracht werden, sodass die Benutzungsmöglichkeit der Busspur für Radfahrende klar sichtbar ist. Vor Einfahrten sollten ebenfalls Piktogramme um 90 Grad versetzt aufgebracht werden.
  3. An den Kreuzungen sollten Aufstellflächen auf der rechten Seite von mindestens zwei Fahrradlängen und vor der Busspur markiert sein, so dass Radfahrende bei Rot vor den Bussen stehen und bei Grünschaltung gut sichtbar losfahren können. Diese Aufstellflächen sollten rot markiert sein. 
  4. Es sollten Ampelanlagen für Radfahrende eingerichtet werden, die so geschaltet sind, dass Radfahrende vor den Autos losfahren können. 

Die Problemlage
Betrachtet wird hier die Potsdamer Straße zwischen der Potsdamer Brücke und dem Kleistpark.

Radverkehrsanlagen
Auf dem Abschnitt von der Potsdamer Brücke bis zur Kurfürstenstraße gibt es auf beiden Straßenseiten einen nichtbenutzungspflichtigen Radweg, der an der Kurfürstenstraße endet bzw. beginnt. Der Radweg hat eine Breite von 1,0 m und entspricht nicht mehr den geltenden Regelungen für den Bau von Radwegen, erst recht nicht den im Mobilitätsgesetz neu vorgesehenen. Er ist häufig verschwenkt, so z.B. an den Kreuzungen und zusätzlich auf der westlichen Seite nach der Lützowstraße an einer Litfaßsäule, kurz darauf am Wintergarten und verläuft besonders unangenehm unmittelbar hinter der Kreuzung Pohlstraße eng zwischen einem Verkehrsschild und einem Briefkasten. 

Radweg hinter der Kreuzung Potsdamer / Lützowstraße nach Süden (Foto:R.Wosnitza)

Radweg hinter der Kreuzung Potsdamer / Pohl-Straße in Richtung Süden (Foto:R.Wosnitza)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zusätzlich ist in diesem Abschnitt die Busspur für die Befahrung durch Radfahrende freigegeben. Zwischen Kurfürstenstraße und Bülowstraße steht dann nur die für den Radverkehr freigegebene Busspur zur Verfügung. 

Die Potsdamer Straße ist eine nachweislich hoch frequentierte Nord-Süd-Tangente. Die Busspur ist bislang jedoch nur von 7-9 und 14-18 Uhr als solche ausgewiesen, so dass sich Radfahrende in den überwiegenden Zeiten ohne Schutz in den Autoverkehr eingliedern müssen. 

Gehwege
Die Gehwege sind südlich der Bissingzeile auf der Ostseite 3,85 m breit, auf der Westseite 4,9 m, häufig verengt durch Sondernutzungen mit (für die Aufenthaltsqualität wünschenswerten) Tischen und Stühlen von Lokalen. Die Potsdamer Straße hat eine rege Nutzung durch Zufußgehende, insbesondere zwischen Pohl- und Bülowstraße. Verstärkte Nutzungskonflikte zwischen Radfahrenden und Zufußgehenden gibt es an den Bushaltestellen, besonders ausgeprägt an der Bushaltestelle Kurfürstenstraße auf der westlichen Seite.

Planungsbefangenheit der Straße
Die Potsdamer Straße ist wegen der geplanten Verlängerung der Straßenbahntrasse vom Potsdamer Platz bis nach Steglitz in den kommenden 8 bis 10 Jahren planungsbefangen. Daher muss davon ausgegangen werden, dass bis zu Entscheidungen über den Weiterbau und dann bis zum tatsächlichen Umbau der Straße keine größeren baulichen Veränderungen vorgenommen werden. Es wird also eine vorläufige Lösung benötigt, die ohne größeren baulichen Aufwand realisiert werden kann und dennoch die Situation für Radfahrende und Zufußgehende in dieser Zwischenzeit sicherer und komfortabler macht. 

Lösungsvorschlag
Durch geeignete Maßnahmen sollten Radfahrende für die Zeit bis zur verkehrlichen Neuordnung des Straßenraumes eine sichere Möglichkeit erhalten, auf der Fahrbahn zu fahren. Dabei sollte der nichtbenutzungspflichtige Radweg erhalten bleiben, damit unsichere Radfahrende ihn weiter benutzen können.

Mit mehreren aufeinander aufbauenden Maßnahmen kann eine deutliche Verbesserung erreicht werden.

  1. Die Busspur ist derzeit nur für die Zeiten von 7-9 und 14-18 Uhr ausgewiesen. Sie darf u.a. auch von Radfahrenden und Taxis benutzt werden.
    Für Radfahrende wäre es wichtig, dass sie ganztägig ausgewiesen wird und damit über den ganzen Tag einen laut Mobilitätsgesetz zwar nicht ausreichenden aber im Vergleich zu der jetzigen Situation höheren Schutz für Radfahrende bietet. 
    Da in den zusätzlichen Zeiten der Kfz-Verkehr auf der Potsdamer Straße weniger dicht ist, würde eine solche Regelung die Kraftfahrzeuge nicht wesentlich benachteiligen. Sollte es trotzdem zu Staus kommen, wären es ohnehin wünschenswert, dass Busse und Taxis schneller vorankommen.
  2. Die Benutzungsmöglichkeit der Busspur für Radfahrende sollte besser sichtbar gemacht werden. Dies kann dadurch erfolgen, dass auf der Busspur zusätzliche Fahrradpiktogramme aufgebracht werden. An den Einfahrten sollten diese um 90 Grad gedreht sein. 
  3. Vor den Kreuzungen sollten seitlich rechts und vor der Busspur Aufstellflächen von mindestens zwei Radlängen für Radfahrende eingezeichnet und rot markiert werden. Bei hoher Frequentierung können sich die Radfahrenden auch vor Bussen aufstellen, um so besser sichtbar zu sein. 
  4. An ausgewählten Kreuzungen (Lützowstraße, Bülowstraße, Goebenstraße, Grunewaldstraße) sollten Ampelanlagen für Radfahrende angebracht werden. Diese sind so zu schalten, dass Radfahrende als erste Verkehrsteilnehmende Grün bekommen, um die Kreuzungen vor den anderen Verkehrsteilnehmenden zu überqueren.

Räder auf Bus-Spur und Rad-Aufstellflächen (Skizze:R.Wosnitza)

  1. Vor der Kreuzung am Schöneberger Ufer in Richtung Norden ergibt sich eine besonders gefährliche Situation, da hier nach rechts abbiegende Autofahrende die Bus- und damit auch die Radspur kreuzen. Diese Querung sollte rot markiert werden, so dass deutlich auf die Vorfahrt der geradeaus fahrenden Radfahrenden hingewiesen wird. 

Hohes Risiko an der Kreuzung PotsdamerStraße / Schönberger Ufer (Foto: R.Wosnitza)

verbesserte Markierungen an der Kreuzung Potsdamerstraße / Lützowufer (Foto-Montage: R.Wosnitza)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was wird mit den Maßnahmen erreicht?
Ein Teil der Radfahrenden wird zukünftig auf der Busspur schneller und mit weniger Konflikten mit den Zufußgehenden vorankommen. Aufgrund der Fahrradpiktogramme und der Aufstellflächen werden Radfahrende sichtbarer. Sie werden die Unübersichtlichkeit des bestehenden Radwegs meiden können und damit auch sicherer fahren. Unsichere Radfahrende, die meist auch langsamer fahren, können aber weiter den vorhandenen Radweg nutzen.

Aufgrund der zu erwartenden häufigeren Nutzung der Straße durch Radfahrende ist vorherzusehen, dass Konflikte mit Zufußgehenden verringert werden. 

Wo liegen die Probleme?
Das Gravierendste wird sein, dass mehr Radfahrende auf der Busspur das Vorankommen von Bussen beeinträchtigen, da diese häufiger ausweichen müssen. Da sie beim Spurwechsel aber immer bevorrechtigt sind, wird das, außer in Stausituationen, nur zu einer mäßigen Behinderung führen. Wenn die Potsdamer Straße in Zukunft als Tempo 30 Zone ausgewiesen ist, wird sich die Tempodifferenz zwischen Bussen und Radfahrenden verringern, da letztere auf gerader Strecke im Regelfall zwischen 15 und 22 km/h fahren. Die Behinderung der Busse ist also abzuwägen mit den Vorteilen einer zu erwartenden stärkeren Nutzung von Fahrrädern.

In den Bereichen mit Längsparken (nördlich der Bissingzeile und südlich der Kurfürstenstraße) lassen sich Behinderungen des Busverkehrs auch dadurch vermeiden, dass dort in ganzer Länge Parkverbotszonen eingerichtet  und die jetzigen Parkzonen in eine Radspur umgewidmet werden. Bauliche Maßnahmen wären dort nicht vorzunehmen. Da wir für diese temporäre Regelung bauliche Maßnahmen zu vermeiden versuchen, haben wir eine Umwandlung der Buchten für Querparkende zwischen Lützow- und Kurfürstenstraße nicht in Betracht gezogen. 

Ein Problem gibt es bereits nach der jetzigen Busspur-Regelung. An den Kreuzungen Pohl- und Lützowstraße blockieren rechtsabbiegende Kfz, wenn sie sich regelkonform verhalten, in Busspurzeiten die einzige allgemeine Fahrspur. In der Praxis weichen sie allerdings, eigentlich unzulässig, nach rechts auf die Busspur aus. Dies ist auch zu beobachten, wenn an der Pohlstraße Linksabbiegende die Fahrspur blockieren. Eine besonders markierte Radspur könnte vor den Kreuzungen eng an die Bordsteinkante herangeführt werden und Abbiegenden das Befahren der Busspur durch Pfeile ausdrücklich erlaubt werden. Das Überfahren der Radspur müsste durch eine durchgezogene Linie untersagt werden. Für die Radfahrenden könnte es zusätzlich direkt vor dem Fußgängerüberweg eine Aufstellfläche an der Seite und vor den Bussen geben. Sie sollte rot markiert werden.

Für die Autofahrenden würde mit dieser Lösung eine derzeit unklare Situation klar und befriedigend geregelt.

Das Stadtteil-Forum wird diesen Beschluss an die betroffenen Stellen von Politik und Verwaltung weiterleiten.

Wir halten Sie hier auf dem Laufenden.

2 Kommentare

  1. hallo Kristian, entschuldigung, dass meine Antwort so spät kommt, dass soll nicht despektierlich sein.
    Der Ansatz unseres Vorschlages ist die Entflechtung von Radfahrenden und allen, die sich auf dem Gehweg bewegen. Wenn es nach dem Komplettumbau in circa 10 bis 15 Jahren eine protected bike lane auf der Potsdamer Straße gibt, dann braucht niemand mehr (außer Kindern) auf dem Gehweg zu fahren.
    Wir sind strikt dagegen, dass E-Rollerfahrende auf dem Gehweg erlaubt wird, doch es sieht ja im Augenblick so aus, als ob das nicht erlaubt sein wird.
    Rollstuhlfahrende sind ja schon immer auf dem Gehweg und ich kenne auch keine Forderungen, dass sich das verändert.
    Sie in einem Atemzug mit Skateboard- und Longboardfahrenden erschließt sich mir nicht ganz. Das sind ja hauptsächlich Freizeitfahrer und mir bisher auf der Potsdamer Straße nicht in großer und damit unangenehmer Menge aufgefallen.

  2. Und wer denkt an die Rollstuhlfahrenden, Skateboardfahrenden, Longboardfahrenden und last but not least E–Rollerfahrenden? Die despektierliche Frage bezisieht sich auf den Titel, die Situation ist weitaus ernster und wird es wohl noch werden.

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