Milieuschutzgebiet!

(ein Gastbeitrag von Jörg Borchardt)

Es ist soweit: Mit der Veröffentlichung im Gesetz- und Verordnungsblatt am 15. Dezember 2018 gilt im Gebiet zwischen Einem- und Flottwellstraße sowie Kürfürstenstraße und Schöneberger Ufer eine Erhaltungsverordnung, ist das Gebiet also Milieuschutzgebiet (in der Flottwellstraße sind alle Neubauten der letzten Jahre davon ausgenommen, s.a. Gebietskarte). Der Quartiersrat und danach das Stadtteil-Forum Tiergarten Süd haben seit Jahren darauf hingearbeitet. Jetzt ist es soweit.

Das Milieuschutzgebiet in unserem Kiez

Was bedeutet das für die Bewohner?

In Milieuschutzgebieten bedürfen der Abriss, die Änderung oder die Nutzungsänderung von Gebäuden einer Genehmigung und der Verkauf von Grundstücken einer Zustimmung durch den Bezirk. Auch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen bedarf der Genehmigung.

Das Bezirksamt prüft im Einzelfall, ob die beantragten Maßnahmen geeignet sind, eine Verdrängung zu bewirken, Sofern die Maßnahmen nicht mit der Milieuschutzverordnung vereinbar sind, werden sie versagt.

Welche Maßnahmen können zu Verdrängung führen und werden daher in der Regel nicht genehmigt:

  • Der Abriss von Wohngebäuden, die Umnutzung von Wohnungen und Grundrissänderungen von Wohnungen (inkl. Veränderung der Wohnungsstruktur durch Teilung und Zusammenlegung).
  • Die Modernisierung von Wohngebäuden und Wohnungen, die den zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung übersteigt.
  • Die energetische Modernisierung von Wohngebäuden und Wohnungen, die die Mindestanforderungen der Energieeinsparverordnung übersteigt und deren Erfordernis nicht nachgewiesen ist. Das bedeutet aber: Grundsätzlich sind energetische Modernisierungen auch weiterhin möglich, nur eben eingeschränkt.
  • Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, wenn sie durch die im Gesetz vorgesehenen Ausnahmetatbestände nicht gerechtfertigt ist.
  • Der Erwerb von Grundstücken mit spekulativen Absichten. Dann gibt es die Möglichkeit zur Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Bezirk.

Damit sich die Bewohner*innen des Milieuschutzgebiets bei Veränderungen in dem Haus, in dem sie wohnen, informieren können, ob diese zulässig sind, wird eine Mieterberatung eingerichtet. Sowie feststeht, wie sie zu erreichen ist, werden Sie hier informiert.

Und hier noch Einzelheiten, damit Sie einschätzen können, was alles im Milieuschutzgebiet von Hausbesitzer*innen gemacht werden darf und vor allem was nicht:

  • Zum Thema: Modernisierung von Wohngebäuden und Wohnungen werden nicht genehmigt, die den zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung übersteigt:

Maßnahmen, die der (erstmaligen) Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen, beispielsweise der erstmalige Einbau eines Bades/WC oder der Ersteinbau einer modernen Heizungsanlage, sind im Milieuschutzgebiet zulässig und werden in der Regel genehmigt
Dagegen werden für Maßnahmen, die den zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung überschreiten (z.B. durch die Installation besonders aufwendiger Sanitär- und Heizungsanlagen, die Errichtung eines Zweitbades, Anbau Zweitbalkon, Anbau Wintergarten Videogegensprechanlagen oder Ähnliches), keine Genehmigung erteilt.

Eine weitere Bremse: die Verordnungsmiete:

Die nach der (Modernisierungs-) Maßnahme vorgesehenen Mieten vergleicht das Bezirksamt mit den sogenannten „Verordnungsmieten“. Diese sind auf wissenschaftlicher Grundlage statistisch fundiert in den Milieuschutzgebieten ermittelt worden und dienen als Hilfsindikatoren im Prüfungsverfahren. Die beabsichtigte Überschreitung der Verordnungsmieten ist ein Hinweis darauf, dass Verdrängung droht. Werden nach der Modernisierung die Verordnungsmieten nicht überschritten, bzw. verzichten die Hausbesitzer*innen auf die Umlegung der Modernisierungskosten, die zur Überschreitung der Verordnungsmiete führen würden, kann – je nach Maßnahme – genehmigt werden.
Werden die Verordnungsmieten überschritten und erklären die Hausbesitzer*innen keinen Verzicht auf die Umlegung der Kosten, wird die Maßnahme versagt.

Zur Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen:

In Milieuschutzgebieten steht die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen unter einem Genehmigungsvorbehalt. Es gibt aber festgelegte Fälle, in denen die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen auch in Milieuschutzgebieten genehmigt werden muss. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich der Eigentümer verpflichtet, die Eigentumswohnungen innerhalb von sieben Jahren nur an die Mieter*innen des Hauses zu veräußern. Auch nach den sieben Jahren sind Mieter*innen, die zum Zeitpunkt der Umwandlung bereits in der Wohnung wohnten, für weitere fünf Jahre vor Eigenbedarfskündigungen geschützt.

Ein wichtiges Schutzinstrument: Ausübung des Vorkaufsrechts:

In Milieuschutzgebieten besteht ein gesetzliches Vorkaufsrecht für Wohnhäuser durch den Bezirk. Damit soll der dringend benötigte preiswerte Wohnraum erhalten bleiben und so der Verdrängung von Mietern entgegengewirkt werden. Liegen die Voraussetzungen vor übt der Bezirk das Vorkaufsrecht zu Gunsten eines Dritten aus. In der Regel ist dies eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft. Das wird auch im Bezirk Mitte immer häufiger so gemacht.

Erwerber*innen von Grundstücken können die Ausübung des Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten jedoch abwenden, indem sie erklären, die Ziele und Zwecke der Milieuschutzverordnung einzuhalten, beispielsweise indem sie auf die Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen verzichten. In der Regel wird das dann vertraglich so vereinbart, dass der/die Erwerber*in daran 20 Jahre gebunden ist.

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