Erinnern an Berlins
„Schwarzen Kommunisten“

Berliner Gedenktafel für Joseph Ekwe Bilé

In unserer Nachbarschaft, in der Bülowstraße 39, lebte der „Berliner Schwarze Kommunist“. Der gebürtige Kameruner führte in Berlin den Kampf für die Rechte der Schwarzen an. Vor der Machtübertragung an die Nazis war er einer der schärfsten Kritiker des deutschen Imperialismus und Rassismus. Heute kennt ihn kaum noch jemand.

Der Historiker Robert Aitken berichtet: „Am 8. Dezember 1929 hielt der Sozialistische Schülerbund eine antinationalistische und antikoloniale Demonstration auf dem Berliner Alexanderplatz ab. Der zweite Redner an jenem Nachmittag war Joseph Ekwe Bilé. Der aus Duala in Kamerun stammende Bilé wurde von einem begeisterten Publikum empfangen – darunter befanden sich Berichten zufolge fünf weitere Menschen afrikanischer Herkunft. Sodann fing Bilé an, seinem Publikum vom brutalen Vorgehen des Deutschen Reichs in der ehemaligen Kolonie Kamerun zu berichten, und ging anschließend dazu über, von Missbrauch und Misshandlung zu sprechen, die Menschen afrikanischer Herkunft weltweit erleiden.“

Joseph Bill (By The International Comittee of Negro Workers – The Negro Worker, Vol. 2, No. 7 (July 15, 1932)

Nun will die Senatsverwaltung für Kultur und Europa Joseph Ekwe Bilé (1892–1959) mit einer Berliner Gedenktafel ehren. Der Bauingenieur, Politiker und Publizist gründete die deutsche Sektion der französischen Ligue de Défense de la Race Nègre mit, deren erster Sekretär er war. (Die Liga wurde 1935 durch die Nazis aufgelöst.)

Die Senatsverwaltung für Kultur schildert den panafrikanischen Aktivisten wie folgt:

„Joseph Ekwe Bilé wurde 1892 in Douala geboren und kam 1912 zum Studium nach Deutschland. Wegen des Ersten Weltkrieges und der folgenden Besetzung Doualas durch Frankreich war ihm die Rückkehr in seine Heimat über zwei Jahrzehnte verwehrt. Stattdessen nahm Bilé als Kriegsfreiwilliger auf deutscher Seite an den Kämpfen in Belgien teil. Ungeachtet seiner Ausbildung als Bauingenieur finanzierte er seinen Unterhalt in den 1920er Jahren als Schauspieler und Unterhaltungskünstler. In Wien und Berlin stand er dabei mit Weltstars wie Josephine Baker und Paul Robeson auf der Bühne.

Zugleich war Bilé eine Schlüsselfigur des sich ab 1918/19 organisierenden Widerstands afrodiasporischer Menschen in Deutschland gegen kolonialrassistische Unterdrückung. So war er nicht nur Gründungsmitglied des Afrikanischen Hilfsvereins (1918) und Unterzeichner der von seinem Landsmann Martin Dibobe an die Weimarer Nationalversammlung gerichteten Petition für „Selbstständigkeit und Gleichberechtigung“ von Menschen in und aus Deutschlands afrikanischen Kolonien (1919). Bilé trug auch entscheidend dazu bei, dass sich Deutschlands erste Schwarze Bewegung in den späten 1920er Jahren internationalisierte und Anschluss an globale Netzwerke fand. So war Bilé im Jahr 1929 maßgeblich an der Gründung einer deutschen Sektion der von Tiemoko Garan Kouyaté in Frankreich geführten Ligue de Défense de la Race Nègre in Berlin beteiligt. Diese stand in engem Kontakt zur Liga gegen Imperialismus, die von der Komintern unterstützt wurde. Ende 1930 wurde Bilé offiziell Mitglied der KPD und trat in der Folge an verschiedenen Berliner Orten als politischer Redner vor einem Massenpublikum auf. In seinen Ansprachen berichtete er eindrücklich vom Kolonialterror der Europäer in Kamerun, den er mit dem Anti-Schwarzen Rassismus in Deutschland und in den USA in Beziehung setzte.
1932 bis 1934 war Bilé Student der Kommunistischen Universität der Werktätigen des Ostens in Moskau. Das rettete ihn vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten, an eine Rückkehr nach Deutschland war aber nach der Machtübertragung nicht mehr zu denken. Stattdessen ging Bilé nach Paris. Hier brach er mit der kommunistischen Bewegung und erhielt 1935 die Erlaubnis zur Rückreise nach Kamerun. Bis zu seinem Tod im Jahr 1959 arbeitete er dort als Geschäftsmann und Architekt.“

Die vom Historiker Robert Aitken und vom Verein Berlin Postkolonial in Zusammenarbeit mit dem Projekt „Dekoloniale Erinnerungskultur in der Stadt“ initiierte Gedenktafel  wird am 21. April 2022 eingeweiht.

Zur Enthüllung sprechen:

Dr. Christine Regus, Leiterin des Referats Gedenkstätten, Museen, Einrichtungen Bildender Kunst; Anna Yeboah, Gesamtkoordination, Dekoloniale Erinnerungskultur in der Stadt

Prof. Dr. Robbie Aitken, Historiker

Die Veranstaltung findet am 21. April 2022 um 16 Uhr

in der Bülowstraße 39, 10783 Berlin-Schöneberg statt.

Die Berliner Gedenktafeln sind ein Programm des Landes Berlin, eingebunden in das Förderprogramm Historische Stadtmarkierungen der Senatsverwaltung für Kultur und Europa. Die weißen Porzellantafeln werden von der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin hergestellt. Die Recherche für die Tafel erfolgte durch den Verein Berlin Postkolonial. Die Organisation der Tafel lag bei dem Verein Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin, der sich seit 2013 bei der Umsetzung des Berliner Gedenktafelprogramms engagiert. (SenKultEuropa)

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