Die Vorboten der Hochhäuser

Bebauungsplan für den südlichen Teil der „Urbanen Mitte“ ausgelegt

Nach bis 16.12.2020 liegen die Unterlagen zum Bebauungsplan VI-140cab „Urbane Mitte Süd“ im Stadtentwicklungsamt im Rathaus Kreuzberg aus. Die Unterlagen bestehen aus 24 Gutachten, 18 Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange, der sogenannten Begründung zum Bebauungsplan mit 327 Seiten und Planzeichnungen. Alles kann online heruntergeladen werden auf der Seite des Bezirksamtes.

Screenshot der Seite des Bezirksamtes. Durch Klick auf das Bild kommen sie auf die Seite des Bezirksamtes, auf der Sie die Unterlagen zum Vorhaben einsehen  und eine Stellungnahme zum Vorhaben abgeben können.

Worum geht es?

Mit dem Bebauungsplan „Urbane Mitte Süd“ sollen die ersten beiden von sieben geplanten Hochhäusern durchgesetzt werden. Der Bebauungsplan wurde in einen südlichen und nördlichen Teil aufgesplittet. Im nördlichen Teil sollen weitere fünf bis zu 90 m hohe Hochhäuser entstehen. Zuvor müssen jedoch noch die Planungen für die S21 abgeschlossen werden, die den nördlichen Teil durchfahren wird.

Auf dem südlichen Teil, der angrenzt an den Park mit dem Poststellwerk und der Skateranlage sollen zwei Gebäude entstehen, die auf einem gemeinsamen Sockel stehen. Der 7,5 m hohe Sockel bedeckt fasst die gesamte bebaubare Fläche. Auf dem Sockel erheben sich zwei Türme. Der südliche Turm wird 25,65 m hoch, der nördliche wird sich 47,60 m erheben über das Niveau des ehemaligen Bahngeländes, das hier bei ca. 37 m über NN liegt. Die Schiefwinkligkeit des Sockels sowie der Türme ist eine Reaktion auf die Einschränkungen des Baugrunds und auf die Notwendigkeit, Abstandsflächen nachzuweisen. Westlich der geplanten Gebäude unterfährt der S-Bahntunnel mit S1 und S2 das Grundstück. Die Bebauung reicht dicht an den Tunnel heran. Bei den Abstandsflächen wurden jedoch nicht alle Anforderungen eingehalten. Teilweise fallen sie auch auf das benachbarte Grundstück des Technikmuseums. Das ist der Preis für die hohe bauliche Ausnutzung. Mal sehen, ob das Museum hier Einspruch einlegen wird.

Erschließung

Erschlossen wird das Grundstück über die Trebbiner Straße. Das ist die kurze Sackgasse, die zum Haupteingang des Technikmuseum führt. Die Sackgasse solle verlängert werden, führt dann östlich am ehemaligen Postbahnhof (heute STATION genannt) vorbei mit einer 6 m breiten Fahrbahn bis zu dem Grundstück. Dies wird eine Privatstraße sein. Jedoch soll sie öffentlich zugänglich werden ebenso wie die nicht bebauten Flächen des Grundstücks. Einfriedungen soll es nicht geben.

Nutzung

In den beiden Gebäude mit dem Sockel sollen 23.750 m² Geschossfläche realisiert werden. Wohnen ist nicht vorgesehen, angeblich weil es hier zu zu laut ist. Also 100% gewerbliche Nutzung: Büro, Dienstleistungen, Kultur, Hotel, Gastronomie, bis zu 1000 m² Verkaufsfläche und im Sockel eine Sport- und Mehrzweckhalle. Die Verkaufsflächen sollen sich an ein sportinteressiertes Publikum richten sowie an die Nutzer des überregionalen Fahrradwegs.

Das Bonbon für die Bezirksverordneten

Die Sporthalle wird im Plan nicht festgesetzt. Offensichtlich reichen eine Absichtserklärung und das Versprechen, im Außenbereich weitere Sportangebote anzubieten, aus, den BVV-Mitgliedern die Zustimmung zum Plan erleichtern.

Denkmalschutz

Die neuen Gebäude werden das Raumgefühl im Park verändern. Die Besonderheit des Bahngeländes Gleisdreieck mit der Anhalter, Potsdamer und Dresdener Bahn ist die Möglichkeit, mitten in der Stadt Weite erleben zu können. Dies wird durch die neuen Bauflächen immer weiter eingeschränkt werden. Der Blick auf den Wasserturm im Gelände des Technikmuseum wird nicht mehr von überall möglich sein. Der Blick von Süden auf die Einfahrt in den denkmalgeschützten ehemaligen Postbahnhof wird verstellt werden. Schon in der ersten Auslegung des Bebauungsplans, wurde in vielen Stellungnahmen kritisiert, dass der Blick auf den denkmalgeschützten U-Bahnhof durch die neuen Bauten verstellt würde. Nun hat der Vorhabensträger ein 100seitiges Gutachten vorlegt, in dem behauptet wird, seine Bauvorhaben hätten keine negativen Auswirkung auf den Denkmalschutz. Hauptargument: zur Zeit ihrer Entstehung hätten die Bahnanlagen zur Straße ihre Schauseite, zur Bahnseite jedoch nur eine Rückseite ausgebildet – und der Blick auf die Rückseiten sei nicht schützenswert. Damit werden alle Einsprüche abgewiesen und der Vorhabensträger stellt sich selbst einen Freibrief aus, alle den Park prägenden historischen Bauten verdecken zu dürfen. Natürlich hat jeder das Recht darauf, eigenartige Vorstellungen davon zu haben, was denkmalwürdig ist oder nicht. Nur hier gibt es keinen gleichberechtigten Austausch von Argumenten, sondern am Ende bestimmen vom Vorhabensträger beauftragte Gutachter, welche Argumente berücksichtigt werden und welche nicht.

Lohnt sich die Beteiligung am Verfahren?

In der ersten Phase haben sich bei 150 Stellungnahmen lediglich 9 für das Projekt ausgesprochen. Jedoch wurden alle vorgebrachten Argumente gegen die zu hohe Dichte, gegen die Verschattung des Parks, gegen die Missachtung des Denkmalschutzes weggewogen, das heißt, sie wurden in keiner Weise berücksichtigt.

Beispiel bauliche Dichte

Der städtebauliche Vertrag von 2005 sah eine bauliche Dichte mit einer GFZ von 3,5 bezogen auf das Nettobauland vor:

11.3 Das Maß der Nutzung (GFZ) wird als Durchschnittswert, bezogen auf das Netto-Bauland, für das jeweilige Baufeld ermittelt.

Zitat aus dem städtebaulichen Vertrag von 2005.

Nun sollen wir im südlichen Baufeld eine GFZ von 4,1 bekommen, im gesamten Baufeld eine GFZ von 4,4. Die wesentlich höhere als im städtebaulichen Vertrag vorgesehene GFZ wurde begründet mit den nicht bebaubaren, weil für die Bahn planfestgestellten Flächen. Dabei war genau dies gemeint mit der Formulierung „Nettobauland“ des städtebaulichen Vertrags.
Während bei den Baufeldern Flottwellpromenade, Möckernkiez und Yorckdreieck, die Baudamen und -herren freiwillig unter den im Vertrag übertrieben hoch festgelegten Möglichkeiten blieben, versuchen die Investoren in der Urbanen Mitte, das Maximum herauszuholen, auch über das im städtebaulichen Vertrag vorgesehene Maß. Und der Bezirk lässt sie machen.

Beispiel Hochhäuser

In der überwiegenden Mehrheit der Stellungnahmen werden die Hochhäuser abgelehnt wegen der Verschattung des Parks, wegen der Missachtung des Denkmalschutzes, wegen der Erhöhung der Windgeschwindigkeiten, der Verstellung der Sichtachsen, wegen der Beeinträchtigung des Raumgefühls, wegen des Schutzes des Parks vor weiterer Übernutzung, wegen der Überlastung der Schöneberger und der Luckenwalder Straße.

In keiner Weise wurden diese Stellungnahmen berücksichtigt. Es blieb bei 119.000 m² Bruttogeschossfläche. Im neuen Konzept sind die ersten drei Hochhäuser im nördlichen Bereich sogar noch etwas gewachsen, nach Süden „zum Park hin“ etwas niedriger geworden.

In 64 Stellungnahmen wurde kritisiert, dass der Park durch die Hochhäuser verschattet würde. Nun heißt es in der Begründung zum Bebauungsplan:

„Die beiden geplanten Türme 6 (MK 6) und 7 (MK 7) verschatten den Westpark nur vormittags, also von Sonnenaufgang bis mittags. Aufgrund des Sonnengangs werfen die geplanten Türme am Nachmittag keinen Schatten in den Westpark.“

Und ein Gutachten liegt bei, in dem die Verschattung des Parks zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten durch die Hochhäuser gezeigt wird. Nachmittags jedoch wird der Westpark von der westlich angrenzenden Bebauung verschattet. Deren Schatten werden in dem Gutachten nicht gezeigt. So einfach ist das.

zuerst erschienen im Gleisdreieck-Blog

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